Der Bernstein begleitet die Menschen seit den Anfängen ihres Bestehens auf der Erde.
Die slawischen Völker nannten ihn Jantar, die Griechen Elektron, die Römer Gentarum und die Ägypter und Araber Anbar. Als ein wertvoller Rohstoff wurde er auch als „Gold der Ostsee“, „Gold des Nordens“, „Sonniger Stein“ oder „Slawisches Gold“ bezeichnet.
Bei den Urvölkern war er bekannt und wurde als Rohstoff zur Herstellung von Schmuck, Gebrauchsgegenständen und in der Medizin genutzt. Die ersten Beweise, die ein Interesse an Bernstein belegen, stammen aus der Mittelsteinzeit (8300–4500 v. Chr.). Davon zeugen die Figuren von Vögeln und anderen Tieren, die Ketten und Perlen, die im Norden Polens gefunden wurden. Die ältesten geschliffenen Bernsteinplatten stammen aus der Altsteinzeit und wurden auf dem Leszno-Plateau gefunden.
Zahlreiche Schmuckstücke wurden in Siedlungen und Gräbern der Bevölkerung der Rzucewska-Kultur entdeckt, die die Küste der Danziger Bucht und das Weichsel-Haff bewohnte.
In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurden im Kurischen Haff etwa 3000 Bernsteinschmuckstücke, die aus der Jungsteinzeit (5300–1700 v. Chr.) stammen, entdeckt. Einige von ihnen können im Museum der Universität Göttingen (Göttinger Zentrum für Geowissenschaften) und im Bernsteinmuseum in Palanga (Litauen) besichtigt werden.
Für den Bernstein interessierten sich auch die Kelten. Viele Bernsteinschmuckstücke und Verzierungen wurden neben Artikeln aus Gold und Bronze in den Gräbern der reichen keltischen Fürsten gefunden.
Durch den Transport des wertvollen Harzes über die sogenannte Bernsteinstraße waren die Kelten Vermittler in den Handelsbeziehungen zwischen der Ostsee und dem Römischen Reich. Die Route führte aus Aquileia in Norditalien (dem Gebiet um das heutige Venedig) über die Alpen, das Tal der Donau, dem Morava- und Glatz-Tal sowie Kalisz (Calisia) bis zur Ostsee. Im zweiten Jahrhundert v. Chr. gab es in Aquileia viele Werkstätten, die den Hof des römischen Kaisers mit Bernsteinartikeln belieferten.
Die große Beliebtheit des Bernsteins im alten Italien sowie unter den Stämmen der Etrusker und Illyrer, die an der nördlichen Adria lebten, beweisen zahlreiche dort gefundene luxuriöse Bernsteinschmuckstücke.
In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr. entwickelten die Völker, die die südlichen Gebiete des heutigen Polens und die Gebiete von Transkarpatien bewohnten, ein verstärktes Interesse an diesem Material. Die Rzucewska-Bevölkerung, die Handelskontakte mit den Südvölkern unterhielt, begann mit der Suche nach neuen Bereichen der Ausbeutung von Bernstein. Die große Nachfrage zwang sie, nach neuen Quellen zu suchen. Das Sammeln von Bernstein an den Stränden reichte nicht aus, um die Bedürfnisse des wachsenden Tauschhandels zu decken. Auf dem Gebiet der Danziger Bucht entstanden die ersten Minen, in denen der Rohstoff aus Ablagerungen von Sand und Ton abgebaut wurde. Der Bernstein wurde gegen landwirtschaftliche Erzeugnisse, Fleisch und Steinwerkzeuge eingetauscht.
Systematisch entwickelte sich auch die Verarbeitungstechnik des Steines. Am Ende des zweiten Jahrhunderts gab es schon die ersten präzise geschliffenen und auf Drehmaschinen bearbeiteten Schmuckstücke, die Archäologen in Gräbern von Herrschern und Frauen aus wohlhabenden Familien fanden.
Die besondere Schönheit des Steines, seine Vielfalt an Farben, die einfache Verarbeitung und die Herkunft aus dem fernen und unbekannten Norden faszinierte auch die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes. Dies bezeugen viele in Griechenland, Ägypten und im Nahen Osten gefundene Gegenstände aus Bernstein.
Nach dem Zerfall des Weströmischen Reiches im Jahre 467 n. Chr. wurde das Byzantinische Reich vermutlich zu einem neuen Absatzmarkt.
Der Bernstein hat zur Entwicklung der interkulturellen Beziehungen beigetragen und war ein wichtiger Faktor in der Interaktion zwischen den Völkern des alten Europa und des Mittleren Ostens.
Im früheren Mittelalter wurde die südliche Ostseeküste von zahlreichen slawischen Stämmen bewohnt.
Ein wichtiges Zentrum für den Bergbau und die Verarbeitung von Bernstein wurde Danzig. Die vom neunten bis dreizehnten Jahrhundert in Danzig lebenden Slawen kannten den Wert des Bernsteins sehr genau. Neben den Heimwerkstätten entstanden spezialisierte Handwerksbetriebe, die Bernstein für den lokalen Markt verarbeiteten, slawische Fürsten belieferten und für den externen Markt produzierten. Als der Deutsche Orden in den Jahren 1300–1309 Danzig eroberte, wurde Bernstein zu einer besonderes begehrten Ressource.
Die Kreuzritter übernahmen die Kontrolle über den Abbau von und den Handel mit Bernstein, gründeten Lager in Danzig und in Königsberg, wo er in Fässern mit Meerwasser konserviert wurde. Sie zwangen die an der Küste lebende Bevölkerung zum Sammeln und zur Abgabe von Bernstein. Vor allem die Frauen, ältere Menschen und Kinder mussten jeden Tag zum Strand gehen, um nach den „sonnigen Steinen“ zu suchen. Für das Verstecken von Bernstein verhängten die Kreuzritter sogar die Todesstrafe. Den wertvollen Rohstoff verkauften sie nach Brügge, Lübeck, Amsterdam, Antwerpen, Köln, Nürnberg und Venedig. Die aus dem Osten zurückkehrenden Kreuzritter kauften gerne Kreuze, Halsketten, Schmuckschatullen und andere Gegenstände aus Bernstein.
Nach dem Dreizehnjährigen Krieg fiel Danzig erneut unter die Herrschaft polnischer Machthaber, die den städtischen Handwerkern zahlreiche Privilegien verliehen und somit die Weiterentwicklung des Handwerks förderten.
Im Jahre 1477 wurde der erste Verband der Bernsteinverarbeiter gegründet, der die Existenz von 40 Werkstätten erlaubte. Diese Bestimmung wurde offensichtlich gebrochen und die nicht verbundenen Handwerker wurden verfolgt und bestraft.
Die Produkte der Danziger Handwerker waren an allen Höfen Europas bekannt.
Neben der Schmuckproduktion wurden mit Bernstein verziehrte Möbel, Schachbretter und Schachfiguren, Schatullen, Bilder- und Spiegelrahmen, Besteck und andere Gegenstände gefertigt. Diese Produkte schmückten nicht nur die Höfe Europas, sondern auch die Häuser wohlhabender Bürger.
Neben Danzig existierten drei Hauptzentren der Bernsteinverarbeitung: im sechzehnten Jahrhundert und der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts Königsberg, im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert Elbing und vom siebzehnten bis zum neunzehnten Jahrhundert Stolp.
Aufgrund der vergleichbaren Verarbeitungstechniken wurde Bernstein gerne mit Elfenbein kombiniert, wodurch vor allem Hausaltäre und Schatullen entstanden.
Geschnitzte und gravierte Ornamente aus Elfenbein, verbunden mit den Erzeugnissen aus Bernstein, fanden reißenden Einsatz in der üppigen und dekorativen Barockkunst des siebzehnten Jahrhunderts.
Zu den bekanntesten Werken aus Bernstein zählt zweifellos das „Bernsteinzimmer“.
Im Jahre 1701 beauftragte der preußische König Friedrich I. von Hohenzollern den aus Danzig stammenden Architekten und Bildhauer Andreas Schlüter mit dem Entwurf des Zimmers. Er sollte ein Kabinett mit den Abmessungen von 10,5 x 11,5 m mit vollständig aus Bernstein produzierten Wanddekorationen im neuen Schloss Charlottenburg in Berlin konstruieren. Das Projekt umfasste drei große Spiegelrahmen aus Bernstein, die bereits um 1680 in Dresden hergestellt worden waren. Schlüter entwarf acht große Kompositionen, die 80 Prozent der Wände bedeckten. Mit der Umsetzung des Projektes wurde der aus Danzig stammende und dort ausgebildete Gottfried Wolfram beauftragt. Ihm gelang es, aus dem zerbrechlichen Rohstoff starke und robuste Kompositionen von 7 m2 Fläche zu erstellen. Die dünnen Bernsteinplättchen befestigte er auf mit Messingfolie bezogenen Platten aus Eiche, die eine perfekt reflektierende Kulisse für den transparenten Bernstein darstellten. Nach sieben Jahren Arbeit wurden Schlüter und Wolfram entlassen und für die Vollendung des Projektes wurden Gottfried Turau und Ernst Schacht verpflichtet. Nachdem am 25. Februar 1713 König Friedrich I. starb, stoppte sein Nachfolger Friedrich Wilhelm die Arbeit an dem teuren Bernsteinkabinett. Er ließ das fast vollendete Werk verpacken und in die Berliner Zitadelle bringen. Drei Jahre später schenkte Friedrich Wilhelm das Kabinett dem russischen Zaren Peter I., der auf dem Weg nach Paris in Berlin Halt machte, als Beweis seiner Freundschaft und zur Besiegelung einer Allianz. Im Juni 1717 ist das sorgfältig in Kisten verpackte Kabinett in Petersburg eingetroffen. Die Dekorationselemente wurden aber erst viele Jahre später von der Tochter Peters I., Elisabeth, für den Aufbau des Bernsteinzimmers im neu gebauten Winterpalast verwendet. Das Projekt für die neue Raumaufteilung entwickelte Bartolomeo Francesco Rastrelli, die Umsetzung übernahm Hofrestaurator und Stuckateur Alessandro Martelli. Im Winterpalast fungierte das Bernsteinzimmer als Festsaal für Audienzen. Beim Umbau des Palastes im Jahre 1755 wurde das Zimmer demontiert und in den Palast in Zarskoje Selo gebracht. Das Projekt für die Anpassung des Bernsteinzimmers für einen Saal der repräsentativen ersten Etage entwarf Rastrelli und die Ausführung übernahm erneut Alessandro Martelli. Diese Anpassung an den viel größeren Saal verlangte neue Elemente in Form von Panellen, Mosaiken und Spiegeln. Im Frühjahr 1770 wurde das Bernsteinzimmer eröffnet. Die Arbeiten all dieser Künstler ließ ein einzigartiges Werk mit besonderem Charme entstehen.
Während des Zweiten Weltkriegs fanden die deutschen Truppen das Zimmer im durch die Luftangriffe zerstörten Palast.
Im Sommer 1941 wurde die Wandverkleidung demontiert, in Kisten verpackt, nach Königsberg abtransportiert und dort im Burgmuseum des Deutschen Ordens aufgebaut. Nach den Luftangriffen der Alliierten im Jahre 1944 wurde das Zimmer erneut demontiert und im Keller der Burg in Kisten eingelagert. Seitdem gilt das Bernsteinzimmer als verschollen, sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt.
Das mysteriöse Verschwinden inspiriert bis heute viele Schatzsucher in Russland, Polen, Litauen und Deutschland.
Im Jahr 1979 begann die Arbeit am Wiederaufbau des Bernsteinzimmers. Die Grundlage für die Rekonstruktion waren 86 Bilder, darunter nur ein Bild in Farbe, sowie viele erhaltene Skizzen und Beschreibungen.